Close

Mikroplastik in Flüssen und Meer

Sonderausstellung des Deutschen Museums für Jagd und Fischerei 

(Von Jürgen Oeder)

Die Frage nach den Gefahren von Mikroplastik in Gewässern ist heute mit Wucht in der Politik und Öffentlichkeit angekommen.  Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert Forschungen zum Thema „Plastik in der Umwelt“ bereits mit rund 40 Millionen Euro. Zudem zeigt eine Umfrage des Fraunhofer Instituts, dass Mikroplastik als Umweltproblem bei Laien knapp hinter dem Klimawandel, aber noch vor Atommüll, rangiert. Das Thema dieser Sonderausstellung ist also über den Besucherstamm des Museums von großem öffentlichem Interesse. 

Mikroplastik ist mittlerweile so allgegenwärtig, dass Wissenschaftler es als „zivilisatorische Grundlast“ bezeichnen. Es bedroht das Wachstum vieler Lebewesen in unseren Gewässern, weht durch die Luft, die wir atmen und findet sich an so unterschiedlichen Orten wie dem menschlichen Blutkreislauf oder den Eingeweiden von Insekten in der Antarktis. 

Die Plastikverschmutzung wurde bereits vor 40 Jahren als Problem erkannt. Gleichwohl nimmt der Kunststoffverbrauch in Deutschland seitdem weiter kontinuierlich zu: Auf jeden Bürger in Deutschland entfallen 76 Kilo Plastikmüll, mehr als die Hälfte davon (39 kg) stammt aus Plastikverpackungen. Das ist deutlich über dem EU-Durchschnitt von rund 33 Kilogramm. (EU-Spitzenreiter sind wir auch beim Plastikmüllexport von über 1 Mio. Tonen im Jahr nach Südostasien.) 

Plastikmüll wird hierzulande aber nicht nur exportiert, recycelt oder verbrannt, er entweicht auch in die Umwelt. In Deutschland sind es 446.000 Tonnen pro Jahr. Dies entspricht 3,1 % des in Deutschland verbrauchten Kunststoffs. 

Die Kunststoffemissionen in Deutschland bestehen allerdings nur zu 26 % aus sichtbarem Makroplastik (größer als 5 mm). Rund drei Viertel (74 %) des Mülls sind kleiner als 5 mm. Also ist dreimal mehr “unsichtbares” Mikroplastik in der Umwelt als wir auf den ersten Blick sehen. 

Über die Flüsse landen weltweit über drei Millionen Tonnen Mikroplastik-Partikel im Jahr im Meer. Nach Angaben der IUCN (International Union for Conservation of Nature) macht Mikroplastik mehr als ein Viertel der rund 10 Millionen Tonnen Plastik aus, die jedes Jahr ins Meer gelangen. 

Die Ausstellung wird mit Blick darauf in verschiedene Blöcke gegliedert.

Zunächst wird dargestellt, was MP ist – Partikel und Fasern 

Bei den am häufigsten identifizierten Mikropartikeln in unseren Gewässern handelt es sich um die typischen Verpackungsmaterialien Polypropylen (PP) für Plastiktüten und Polyethylen (PET) für Lebensmittelverpackungen einschließlich Getränkeflaschen, gefolgt von Acrylaten und Polyvinylchlorid (PVC). 40 Prozent der gesamten Kunststoffproduktion fließen in Verpackungen mit kurzer Produktlebensdauer. PVC wird in großen Mengen im Bau eingesetzt, etwa in Form von Fußbodenbelag oder Leitungen. Acrylate findet man in Lacken und Farben, aber auch in vielen Kosmetikprodukten.

MP besteht aber auch aus Kunstfasern etwa von Microfleece oder Outdoor-Textilien. Ein einziges Kleidungsstück kann pro Waschgang fast 2.000 Mikrofasern ausscheiden. Da Kläranlagen diese kleinen Fasern nicht entfernen können, gelangen sie in Oberflächengewässer und reichern sich in der Umwelt an. Fische kann das schädigen: Chronische Exposition gegenüber Mikroplastikfasern führt in den Kiemen von Fischen zu Schwächung der Adern (Aneurysmen) und anderen schwerwiegenden Schäden. Weil in PP-haltigen Fasern hormonähnliche Chemikalien enthalten sind, erhöht sich zudem die Eiproduktion bei weiblichen Fischen.

Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts haben die Hauptverursacher der 330.000 Tonnen MP untersucht, die in Deutschland jedes Jahr in die Umwelt gelangen. Dabei wurden 51 relevante Quellen identifiziert. Spitzenreiter ist der Reifenabrieb von PKW und LKW. Knapp 1.230 g „produziert“ jeder von uns jedes Jahr. Es folgt auf dem zweiten Platz die Freisetzung von MP bei der Abfallentsorgung etwa über Klärschlamm (302,8 g) und auf Platz 3 der Abrieb von Bitumen in Asphalt (228 g). Der Abrieb von Kunststoffverpackungen (99 g pro Kopf) rangiert auf Platz 8 und der Kunstfaserabrieb von Textilien (76,8 g) in Waschmaschinen auf Platz 10. 

In Flüsse und Meere gelangen diese Kunststoffe hauptsächlich über Straßenabflüsse wie Gullys (66 %), Kläranlagen (25 %) und durch Windübertragung (7 %). Die Hauptquelle für Mikroplastik in Flüssen und Seen sind Reifenabriebe – deren Gift Fische tötet!

Die Gefahr von MP – „Trojanische Pferde“

Während vor wenigen Jahren noch davon ausgegangen wurde, dass Plastiksorten wie etwa Polypropylen (Plastiktüten) oder PET (Plastikflaschen) „inert“, also mit Blick von Wechselwirkungen auf Lebewesen träge sind, bezeichnen Ökotoxikologen Mikroplastik heute als „trojanisches Pferd“, das kaum abbaubare Schadstoffe anreichert, transportiert und in Lebewesen wieder abgibt.  

Sobald Mikroplastik in die aquatische Umwelt gelangt, wird es zudem von einer Vielzahl von Mikroorganismen besiedelt und bildet artenreiche Biofilme, darunter sind gefährliche Fäkalbakterien und antibiotikaresistente Bakterien. Zudem bindet es bis zu 50 verschiedene aus dem Wasser angereicherte giftige Metalle und gibt sie im sauren Milieu eines Magens wieder ab. Mikroplastik-Partikel sind also möglicherweise Hotspots für die Weitergabe von solch potenziell gefährlichen Resistenzen. 

Dies soll hier dargestellt werden an Nahrungsnetzen in unseren Gewässern: etwa von Muscheln, Nematoden, Rädertierchen, Flohkrebsen, Insektenlarven, Ringelwürmer und Futterfischen wie Elritzen.

Einige Beispiele: 

In einem Experiment wurden Larven von Elritzen MP oder den daraus ausgewaschenen Chemikalien für 14 Tage ausgesetzt. Sie zeigten daraufhin eine Abnahme der Überlebensrate, der Länge und des Gewichts. Mit Biofilmen belastetes MP verursachte fast sechsmal so viele Missbildungen wie sauberes MP.

In einer Studie zur Belastung von Fischen mit Mikrofibern zeigten sich ebenfalls schwerwiegende Veränderungen an Kiemen, die die Atmung beeinträchtigten. “Wenn ein Fisch in freier Wildbahn einen Kiemenschaden hat und sich in einer sauerstoffarmen Umgebung befindet oder von einem Raubtier gejagt wird, ist er in Schwierigkeiten, heißt es in dem Papier. 

Ringelwürmer, Aquarianern als „Tubifex“ bekannt, wurden durch MP stark in Mitleidenschaft gezogen.  Ähnlich wie Regenwürmer im Garten wühlen Ringelwürmer den Gewässerboden auf und bringen damit Sauerstoff weiter in den Untergrund und verbessern so die Bedingungen für andere Lebewesen. Wühlen sich also weniger Naididae-Ringelwürmer durch den Schlamm, dürften sich dort auch die Lebensbedingungen verschlechtern. 

Muscheln enthielten 10-mal mehr Mikroplastik, wenn sie den mit Biofilm beschichteten Pellets ausgesetzt waren und litten an Entzündungsreaktionen. Es wird vermutet, dass diese beschichteten Teilchen für die Muscheln eher wie Nahrung wirken. 

Wattwürmer lagerten die am MP anhaftenden Umweltgifte in ihr Körpergewebe ein und geben sie in der Nahrungspyramide, etwa über Fische, nach oben weiter. 

Die Auswirkungen von verschlucktem MP sind bei mehreren anderen Arten untersucht worden, wobei unter Laborbedingungen neben physische Schäden und Stoffwechselstörungen auch Wachstumshemmung, oxidativer Stress und Genotoxizität festgestellt wurden.

Ein besonderes Merkmal wird in der Ausstellung auf Reifenabrieb gelegt: 

Ein Reifen verliert durch Abrieb in seinem etwa 4-jährigen Leben 1-1,5 kg an Gewicht.  Europaweit kommt es so zu 1,3 Millionen Tonnen Reifenabrieb pro Jahr. In Deutschland landen 60- bis 70.000 Tonnen Reifenabrieb jedes Jahr im Boden, weitere 8.700 bis 20.000 Tonnen gelangen in Oberflächengewässer. 

Was der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Aus dem Abrieb entsteht ein starkes Fischgift. Die toxische Substanz heißt „6PPD-Chinon“.  Sie bildet sich aus dem in Reifen enthaltenen Antioxidationsmittel “6PPD” in Verbindung mit Ozon, das aus stickoxidhaltigen Autoabgasen entsteht. Das Gift wurde erst 2019 entdeckt, weil Silberlachse in Flüssen an der Westküste der USA nach Unwettern mit Starkregen starben.

Wie toxisch 6PPD-Chinon wirkt, zeigten Tests an jungen Lachsen. Schon weniger als ein Milligramm in 1000 Litern Wasser kann einen Bestand in wenigen Stunden halbieren. In Wasserproben aus den Flüssen lagen die Konzentrationen nach Starkregen oft deutlich höher. Das Fischgift sei vermutlich an allen verkehrsreichen Orten der Welt zu finden, schreiben die Forscher.

Der Ökotoxikologe Jörg Oehlmann von der Goethe-Universität Frankfurt geht davon aus, dass die toxische Wirkung des zuvor als unproblematisch eingeschätzten Zusatzstoffs auch heimische Salmoniden wie Bachforelle, Saibling oder Meerforelle schädigt. Das Gift aus dem Reifenabrieb könne auch eine Erklärung dafür sein, dass sich viele heimische Fischarten nicht mehr ausreichend fortpflanzten. Das gelte es nun zu prüfen und auch, wie sich die Substanzen auf Muscheln, Würmer und andere aquatische Organismen auswirkten.

 Im Weiteren Ausstellungsverlauf sollen die Eintragspfade – etwa über Flüsse wie Isar, Donau, Rhein und Elbe – bis ins Meer dargestellt werden. Am Beispiel von PET-Wasserflaschen und ihrem „Recycling“ wird hier beispielhaft auf unnötige Belastung der Gewässer und die Vermeidung von Kunststoff-Abfall hingewiesen: 

Die Deutschen produzieren allein mit Plastikflaschen für Wasser und Limonaden rund 500.000 Tonnen Plastikmüll im Jahr. Doch beim Recycling der PET-Flaschen entstehen bis zu 250 Tonnen Abrieb und gelangen in Kläranlagen. Das Umweltbundesamt (UBA) geht davon aus, dass die Kläranlagen etwa 90 Prozent des Mikroplastiks in Absetzbecken für Klärschlamm abscheiden (der dann wiederum als Dünger in der Landwirtschaft landet). Demnach könnten bundesweit aber immer noch 25.000 Kilogramm Mikroplastik aus PET-Recyclinganlagen pro Jahr ungefiltert in Flüsse und Meere laufen.

Der Konsum von Trinkwasser aus Plastikflaschen ist in Deutschland allerdings unnötig. Konsumenten nehmen dadurch ohne Not bis zu 90.000 MP-Partikel im Jahr auf. Dagegen ist unser Leitungswasser aus Grundwasservorkommen unbedenklich, weil es kein MP enthält. Leitungswasser gilt überdies als Lebensmittel und wird strenger kontrolliert als Wasser aus Plastikflaschen.

Meere und Ozeane

Am Ende der Eintragspfade sammeln sich Makro- und Mikroplastik in Meeren und Ozeanen. Mittlerweile gilt die Straße von Messina zwischen Sizilien und der italienischen Halbinsel als das Gebiet mit der weltweit größten Mülldichte im Meer. In einigen Teilen befinden sich mehr als eine Million Objekte pro Quadratkilometer. – Die Müllmenge in den Ozeanen könnte in den nächsten dreißig Jahren drei Milliarden Tonnen übersteigen, heißt es in der Studie. Der größte Teil davon ist MP. 

Plastikabfälle bedrohen fast 700 Meeresarten, von denen 17 % auf der Roten Liste der IUCN stehen. Tausende Tonnen von am Meeresboden verfangene Netze “fischen“ über Jahrzehnte weiter. Nach neuesten Studien beträgt der Anteil von Geisternetzen am Plastikmüll im Meer weltweit über 30 %.[2] Gemäß einer Studie der FAO landen allein in den europäischen Meeren pro Jahr rund 1.250 Kilometer Fischereinetze als Geisternetze. Weltweit sei die Fischerei Verursacher von mehr als einer Mio. Tonnen Plastikmüll. Die Zersetzung von hochfesten Fischernetzen in MP kann mehr als 1.000 Jahre dauern.

Wenn Mikroplastik von Fischen und anderen Meerestieren aufgenommen wird, kann dies wie in Flüssen zu verminderter Nahrungsaufnahme, Fruchtbarkeits- und Verhaltensproblemen führen. MP findet man mittlerweile im Körper von etwa 50 % aller Fische im Mittelmeer und bei 80 % aller Fischlarven in Flussmündungen der EU. 

Luft zum Atmen

Schließlich kann die Aufnahme von Mikroplastik durch Zooplankton im Meer schon bei geringen Konzentrationen womöglich erhebliche Auswirkungen auf das marine Ökosystem haben und für einen „Sauerstoffverlust im Ozean verantwortlich sein, der über den durch die Klimaerwärmung verursachten hinausgeht.“ Die Wissenschaftler erklären das so: Wenn Zooplankton das Mikroplastik frisst und dadurch weniger Nahrung aufnimmt, kann das wegen einer Verringerung des Fraßdrucks zu verstärkten Algenblüten führen und den Sauerstoffgehalt der Ozeane fast so stark mindern wie der Klimawandel“.

MP im Menschen

Fakultativ können zudem die Auswirkungen von MP auf den Mensch dargestellt werden. 

Wir essen, trinken und atmen MP ein – bis zu 5 Gramm insgesamt pro Woche. Das entspricht dem Gewicht einer Scheckkarte. Wir scheiden aber etwa 400 Partikel auch wieder über den Stuhlgang aus, zumeist PP und PET. 

Mikroplastikteile, die weniger als ein Mikrometer groß sind, werden dagegen vom Körper aufgenommen. Dieses Nanoplastik kann über die Lungen in den Blutkreislauf und selbst in die menschliche Plazenta eindringen. Mikroplastik, das kleiner als 0,5 Mikrometer ist, kann sich dann zwischen Zellen einlagern. Allein dieser rein mechanische Effekt könnte menschliche Zellen schädigt. Nach Ansicht der Forscher könnte dieser mechanische Effekt möglicherweise auch erklären, wie die winzigen Kunststoffpartikel Entzündungen auslösen können. Welche Gefahren MP im Menschen darstellen, kann aufgrund fehlender Langzeitstudien aber noch nicht gesagt werden. 

All dies soll die Besucher der Ausstellung aber nicht in Angst versetzen. In den einzelnen Themen wird jeweils auch darauf hingewiesen, was Bürger und Politiker tun können, um die Vermüllung der Umwelt mit (Mikro-)Plastik zu vermindern. Es ist Wissenschaftlern zufolge „technisch unmöglich“, all die kleine MP Teilchen aus der Umwelt zu entfernen. Deshalb muss verhindert werden, dass Plastik überhaupt in die Natur gelangt und Schaden anrichtet.  – Das ist die Kernbotschaft der Ausstellung -sie soll multimedial, mit Unterstützung einer Museumspädagogin vermittelt werden.